Parnehnen                       

Krasnij Jar 
Früher ein deutsches Dorf in Ostpreußen Heute ein russisches Dorf in der Oblast Kaliningrad
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Bericht 2008

 

Seit 14 Jahren fahre ich nun  mehrmals im Jahr nach Krasnij Jar im Kaliningrader Gebiet, das zu deutschen Zeiten Parnehnen hieß.

Früher wurde das Wohnmobil voll gepackt mit Hilfsgütern aller Art für Kinderheime, Schulen, Jugendhäuser, Altersheime, Krankenhäuser und bedürftige Familien. Seit einigen Jahren wünschen die russischen Behörden keine humanitäre Hilfe mehr; Hilfstransporte können nur mit viel Aufwand und unter großen Schwierigkeiten durchgeführt werden und lohnen für kleinere Fahrzeuge nicht mehr.

 

Trotzdem stopfe ich vor jeder Fahrt das Wohnmobil noch immer voll: - die Schränke bieten Platz für Kleinkinderwäsche, pädagogisches Spielmaterial, Bettwäsche und Handtücher. Die pro Person erlaubten 2 – 3 Koffer enthalten beispielsweise Verbandsmaterial, Unterwäsche und Babysachen. Nicht jeder Computer, den ich nach Russland mitnehme, ist auch auf dem Rückweg wieder dabei, und Gehhilfen, Rollstühlen und Fahrrädern ergeht es ebenso.

Mehrere hundert Kilo Kleidung und Bettwäsche aber nehme ich in großen Kartons mit und gebe sie in Polen in einem Wohnheim für körperlich oder psychisch kranke Menschen und im letzten polnischen Dorf vor der russischen Grenze, in Besledy ab.

 Im Wohnheim in Polen freuen sich Personal und Patienten jedes Mal; alle helfen, die Kästen ins Haus zu tragen, wir bekommen selbst gebastelte Geschenke und werden zum Essen eingeladen. Ein Patient, der seit dem ersten Besuch das Dolmetschen übernimmt, bat unter Beifallsgemurmel der Umstehenden im Herbst um Bettwäsche, die dringend in größeren Mengen für die etwa 100 Patienten gebraucht wird.

 

Mehrmals fuhren mein Mann Klaus und drei Hunde mit. Die Vierbeiner vereinfachten die Gepäckkontrolle an der polnisch-russischen Grenze, da die Zollbeamten ihre Aufmerksamkeit aus Freude an den Hunden oder Furcht vor ihnen weniger auf das Gepäck richteten.

In Parnehnen haben wir eine kleine Wohnung gemietet, die wir bei unseren Besuchen bewohnen.

 

Bei den letzten beiden Aufenthalten ergaben sich Möglichkeiten, die Gesundheitsstation des Dorfs von der anderen Seite kennen  zu lernen, da sowohl Klaus als auch ich bei je einem Aufenthalt erkrankten.

Während bisher die Ärztin und die Gesundheitsstation, - der Medikal Punkt - mit medizinischen Hilfsgeräten und finanzieller Hilfe für Medikamente, Desinfektionsmaterial und auch durch Finanzierung von Reparaturen an Fenstern, Türen und Dach unterstützt wurden, durften wir beide nun die Hilfe der Ärztin in Anspruch nehmen: alle erforderlichen Dinge waren diesmal vorhanden und die Betreuung vorbildlich und kostenlos: „Ihr seid Gäste!“, sagte meine langjährige Mitarbeiterin vor Ort, die Ärztin Sweta. Trotzdem mussten wir im Herbst aus gesundheitlichen Gründen den auf 4 Wochen geplanten Aufenthalt etwas überstürzt abbrechen.

Im Eiltempo wurden Besuche bei Familien und Einrichtungen, aber auch Abrechnungen und die Geldübergabe an die Vertrauensleute und ausgeführt bzw. auf den nächsten Besuch verschoben.

Einige Veränderungen konnte ich trotzdem feststellen, z.B. waren inzwischen das Internat und auch Kinderheime in anderen Orten aufgelöst worden, da die Regierung eine bessere Möglichkeit der Betreuung von Kindern in Ersatzfamilien sieht.

 

Der Jugendclub war geschlossen worden, nachdem die Saaldecke des ehemaligen Schlosses heruntergefallen war; und auch die Bibliothek im gleichen Haus soll wahrscheinlich geschlossen und alle Bücher (zu großen Teilen von der Parnehnen-Hilfe finanziert) verlegt werden.

Der ehrenamtliche und selbst ernannte Fußballtrainer Wanja  der Dorfjugend (hier im Hintergrund, ich habe  über die von ihm ausgerichteten Spiele berichtet, und viele Vereine aus dem Landkreis Nienburg haben damals Fußballtrikots gestiftet) befand sich zum gleichen Zeitpunkt wegen Magenkrebs im Krankenhaus mit wenig guten Aussichten, während seine Frau als Erzieherin im aufgelösten Internat gerade ihre Arbeit verloren hatte. Hier war eine Beihilfe zu den Operations- und Chemokosten hoch willkommen, die russische Patienten selbst tragen müssen.

 

Natürlich kam Pascha zu Besuch, der vor etwa 7 Jahren in der Umgebung von Hoyerhagen einen Schusterschnellkurs absolvierte und jetzt in Kaliningrad als Schuster arbeitet, Kinder aus der Nachbarschaft kamen zum Spielen und Nachbarn zum Erzählen und mit selbst erzeugten Lebensmitteln als Geschenk.

 

Durch E-Mails und Telefonate trafen in Deutschland seither Neuigkeiten ein, Fußball-Wanja darf wieder leichte Arbeiten ausführen, Großmutter Sina ist gestorben (es gab einen Bericht über sie, als ihr Haus abgebrannt war) die Mädchen Wika und Katja haben den Computer bekommen, den Computer-Andrej für ihre Schularbeit eingerichtet hat,und die Patenfamilie mit den 6 Kindern hat endlich ihre traurige Wohnung verlassen und ein stabiles deutsches Bauernhaus bezogen.

 

Viktoria aus Parnehnen studiert seit 2 Jahren in Bremen Psychologie und wird bei ihrem Besuch zuhause in der nächsten Woche voraussichtlich auch Vorbereitungen für einen Besuch der 16jährigen  Wika in Hoyerhagen treffen.

Und ich werde Mitte April wieder nach Parnehnen fahren und u.a. bei russischen Nachbarn und Freunden alles Notwendige für einen Besuch von ehemaligen deutschen Bewohnern arrangieren.

Der Sohn der ehemaligen Müllersfamilie ist nun 85 Jahre alt und möchte mit Verwandten zusammen noch einmal die Heimat besuchen; Luba in Parnehnen sagte am Telefon spontan: „sie sollen kommen, sie sind eingeladen.“

 

Allen, die die Parnehnen-Hilfe mit Geld, Sachspenden oder guten Wünschen unterstützen: herzlichen Dank.